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Donnerstag, 5. September 2013

Russland 2/2 (Km 7196-12000)

Guten Morgen, liebe Freunde der Reiseberichte. Dank deutscher Herkunft hocke ich 1 1/2h vor Busabfahrt am Wladiwostoker Busbahnhof, Zeit ein paar Reisetage in Schriftform nachzuholen, solange ich noch ungeniert die Steckdose und das Wlan nutzen darf...

Montag, 26.08.2013:

Noch dezent Schlaftrunken aber voller Tatendrang wurde sich am Zug von diversen getroffenen Menschen verabschiedet, dann konnte es losgehen. Ziel war der nahegelegene Baikalsee, die größte Süßwasser Ansammlung der Welt. Dass ich mit Silvia und Raphael gemeinsame Sache machen wollte, war bereits am ersten Transsib Tag beschlossen und so machten wir uns erstmal auf in Richtung Stadtzentrum, da die beiden noch Spiritus besorgen wollten. Nach den ersten zwei Shops verliess sie aber die Lust und sie kauften schlichtweg Wodka, brennt ja auch. Als nächstes musste "nur noch" der Autobusbahnhof gefunden werden. Silvia quatschte direkt mal einen Opa mit Enkel an, der auch sofort auf russisch losplapperte. Eine Eigenheit der Russen ist definitiv einfach nicht aufzuhören, wenn der gegenüber nicht versteht, irgendwann musste aber auch der Opa aufgeben, nahm uns an die Hand und brachte uns an eine Bushaltestelle und wartete mit uns bis der richtige Bus kam, um uns dann reinzuverfrachten, obwohl das Teil schon geil voll war und ich mich frage, wie wir mit unseren Rucksäcken eigentlich reingepasst haben. Der Rest der Fahrgäste hatte dafür die Ehre, bei jedem Ausstieg über uns steigen zu dürfen, nahmen sie aber stillschweigend humorlos an. Dank Rafaels offlinemaps Handy konnte auch der richtige Ausstieg angepeilt werden, bzw. der, den wir für den richtigen hielten. Dort standen schon diverse Minibusse rum. Kurz gefragt, Antwort bekommen, eingestiegen, Abfahrt. Für 100 Rubel ging es mit 10 anderen zum See nach Lesviyanka. Nachdem auch der kleine Bursche neben mir die Tour knapp ohne Kotzen überstanden hatte, konnte dieser auch endlich erblickt werden und bot mit Sonnenschein einen traumhaften Anblick. Nach kurzer Visite der Touri-Info machten wir uns marschbereit, denn am See sollte nicht nur verweilt werden, sondern ein Stück des "Great Baikal Trails" abgelaufen werden. Für die knapp 55 Km ins übernächste Dorf waren 3-4 Tage angegeben, Zeit hatten wir alle 3 mindestens 5 Tage, dementsprechend hatten wir die Ruhe weg und waren erst um 14 Uhr so wirklich auf Wanderschaft. Das erste Stück war allerdings direkt nett ansteigend, da mussten Muskeln und Gelenke nach 4 Tagen Zug erstmal wieder Fahrt aufnehmen. Freundlicherweise ging es auf der anderen Seite auch direkt in Serpentinen bergab, damit war der Körper dann endgültig überlastet, aber immerhin kam jetzt auch der erfrischende See wieder in Sicht. Bei 20 Uhr wurde einer der vielen Rastplätze als Lager für die Nacht gewählt. Bevor es dunkel wurde schnell noch auf dem mitgeschlepptem Campingkocher Reis gekocht und die Hängematte (Zelt war mir zu schwer) gespannt. Idealerweise hatte nicht nur jemand vor uns eine Feuerstelle angelegt, sondern auch reichlich Holz gehackt, sodass in männlicher Teamarbeit ein nettes Lagerfeuer entfacht werden konnte. Natürlich hat der gekaufte Wodka der beiden nicht zum kochen gereicht und er konnte am Feuer seinem eigentlichem Sinn zugeführt werden. Outdoor-Romantik pur! Als der letzte Ast verkokelt war, in den Schlafsack geschlüpft, aus den an die 30 Grad dürften mittlerweile unter 10 geworden sein. Tag 2 begann recht spät. Um halb 2 fand es Silvia dann aber doch angebracht mich zu wecken, wobei die beiden dann doch deutlich länger brauchten, um fertig zu werden. Nach maximal 2 stündigem Fussmarsch wurde das erste kleine Dörfchen erreicht. Hier gab es nicht viel, ausser einer Unterkunft und einem kleinem Einkaufsladen, in dem es Räucherfisch zu erwerben gab. Da das Wetter eh grau und nicht einladend war, wurde die Stimmung halt so aufghellt. Für 175 Rubel gab es so ein ganzes Teil, frisch aus dem Baikal, hat megageil geschmeckt! Bei 5 ging es dann aber auch doch noch weiter und es kam zu einer etwas merkwürdigen Begegnung, denn auf dem Weg stand plötzlich ein Pferd, das sich von seinen Kameraden entfernt hatte. Brav machte es Platz, um uns passieren zu lassen, um uns anschliessend freundlich interessiert zu folgen. Polizeipferden sei Dank bin ich aber nicht so der Fan und sah mich schon den Abhang zum See runterpurzeln. Das Pferd blieb aber irgendwann stehen und schaute uns wie ein daheim gelassener Hund hinterher. Folgte dann nochmal kurz, blieb dann aber weg...der Weg wurde irgendwann doch recht anspruchsvoll, will sagen gefährlich. Der ein oder andere Übergang konnte nur halbrutschend, halb sich irgendwo festklammernd gemeistert werden. Während wir uns so dadurch schlängelten, trabte unten am Steinstrand das Pferd mühelos entlang, um ein paar hundert Meter weiter auf uns zu warten, grandios. Es konnte aber erneut abgeschüttelt werden, die Familie an der wir vorbeiliefen schaute auch etwas verwirrt aus der Wäsche. Nach einem weiteren Anstieg mit geilen Ausblicken und dem dazugehörigen Geröllabgang war es wieder Zeit für ein Lager. Das Wetter hatte sich zwar abgekühlt, um einen säubernden Gang in den Baikal kam ich aber wirklich nicht mehr herum. Heute keine Feuerstelle und kein Wodka, deshalb nach einer Tütensuppe ab in die Hängematte. Tag 3 fing heiter an, wurde aber immer wolkiger. Da traf es sich hervorragend, dass wir die zeltfreie Kernzone des Nationalparks betraten, in der eine Häuserzusammenkunft steht, in der man auch nächtigen kann. Diese wurde nach 2 Stunden und bei einsetzendem Regen erreicht. Das mit Fliegen verseuchte Zimmer gab es für 400 Rubel, Duschen leider nicht vorhanden, Strom auch nicht, aber gibt schlimmeres. Auch die russische Sauna musste ausgeschlagen werden, weil sie mit extra 500 Rubel doch zu teuer war, auch wenn in ihr bereits ein gewisser Boris Yelzin mit seinem Kumpel Helmut Kohl geschwitzt haben. Inbegriffen im Zimmerpreis waren allerdings Nudeln satt, was wir natürlich ausnutzten. Mit uns vor Ort waren auch zwei Gruppen mit russischem Guide, die sich verwundert zeigten, dass wir ganz allein unterwegs waren, während wir verwundert waren, dass man auch eine geführte Tour buchen kann. Bei Einbruch der Dunkelheit war es für mich Bettgehzeit, bei einem kurzen Besuch der Wiese durfte ich dann aber noch den wohl klarsten und deshalb schönsten Sternenhimmel meines Lebens sehen. Tag 4 brachte nochmal ein Nudelfrühstück und uns dann in die Richtung vom Endziel der Wanderroute. Unterwegs trafen wir ein paar russische Camper, die durch unseren Anblick wohl etwas überrascht schienen. Nach ein paar Wörtern im russisch-deutsch-englisch Mix schenkten sie uns einen frisch gefangenen Fisch. Darauf folgte eine Einladung zum Tee und schneller, als wir gucken konnten, standen vor uns Teller. Alles sollten die deutschen Gäste probieren. Die russische Gastfreundschaft, da war sie wieder. 

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