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Mittwoch, 24. Februar 2016

Israel / Palästina



Schalom und salam aleikum, liebe Leserschaft. Vier Tage Resturlaub aus dem Praktikum, die bis Mitte März weg mussten. Dazu ein Sonntagsheimspiel und Flugpreise ab Hannover um die 200 €. Da muss man nicht zögern, sondern buchen. Fünf volle Tage heiliges Land sollten es werden, den Plan fand auch der Ire klasse und buchte sich glatt noch mit ein. Die Spielplanmacher hatten ein Punktspiel in Palästina und zwei in Israel angekündigt, die Vorzeichen standen gut. Es sollte natürlich anders kommen...

Montag, 15.02.2016:
Während sich am hannöverschem Himmel Schnee und Regen abwechselten, stieg die Vorfreude auf Sonne und Hummus immer mehr. Ein Grinsen stand mir im Gesicht, sodass mich meine Kollegen nicht mehr nur wegen meines äußerst schmal gepackten Rucksack für bescheuert hielten. Um 16 Uhr fiel dann endlich der Stift über den Bildschirm auf die andere Praktikantin und los ging es. Ab Langenhagen war die Reisegruppe dann auch komplett. Schnell noch Tipps aus Bielefeld (Gruß und danke!) abgeholt und schon war die Turkish Airlines Maschine geentert. Umstieg in Istanbul, vorm boarden kurze Befragung durch das Flughafenpersonal, aber wirklich unspektakulär und weit von dem entfernt, was über Direktflüge aus Deutschland erzählt wird. Um 3 Uhr nachts pünktliche Landung. Auch Einreisestorys hörte man im Vorfeld nicht wenige, zum Glück können wir keine beitragen und nach wenigen Minuten war die Passkontrolle durch. Ein blauer Zettel ersetzt den Stempel, das erspart dann wenigstens auch Nervereien in anderen Ländern. Nun standen wir also im recht leeren Flughafen, eigentlich hatte ich allein auf Grund der Stempel aus den Emiraten mit locker zwei Stunden gerechnet. Da wir direkt weiter nach Jerusalem wollten, wurden die Möglichkeiten überprüft. 64 Schekel ( Kurs ca. 4:1) im Sammeltaxi, 40 für den Zug mit unklaren Umstiegen oder 21 für den Bus, der erst in zwei Stunden kommt. Gut, um 4 müssen wir ja auch nicht schon in Jerusalem sein, also nochmal auf Stühle gehängt und geschlummert bis wir los konnten. Mit dem Bus der Linie 5 raus aus dem Flughafengelände und an einer Art Schnellstraße auf den nächsten gewartet, der uns innerhalb von einer knappen Stunde durch bergige Landschaft dem Sonnenaufgang entgegen zum Jerusalemer Busbahnhof fuhr. Zu Fuß immer der zentralen Jaffa Road folgend zum Hostel gewackelt, wo das Zimmer wie zu erwarten noch nicht zur Verfügung stand. Immerhin machte die Bude einen soliden Eindruck, das Frühstück sah geil aus und um die Ecke liegt direkt die Altstadt, da kann man für 17 € im 12er Zimmer nicht meckern, zu mindest wenn man sich die anderen Hotelpreise reinzieht. So richtig gepennt hatten wir noch nicht, daher war die Motivation loszuziehen eher gering, aber es half ja alles nichts. Rein in die Altstadt und zugegeben etwas enttäuscht reingeschaut. Diese Jahrtausende alte Stadt hatte ich mir viel chaotischer, lauter, dreckiger vorgestellt. Alles sah fast wie geleckt aus. Schön ist es aber trotzdem und beeindruckend sowieso.
 Klagemauer und Tempelberg werden von extra Taschenkontrollen gesichert. Gerade um letzt genannten kursieren immer wieder wilde Gerüchte, daher kommt es hin und wieder auch zur Schließung des Zugangs. Mal wollen die einen angeblich das Teil in die Luft sprengen, mal die anderen den Berg besetzt halten. Jerusalems Altstadt...ein Ort um den Jahrtausende Kriege gefochten werden und einer der Hauptgründe, warum die ganze Region auf lange Sicht nicht zur Ruhe kommen wird. Nunja, heute scheinbar alles entspannt und der Berg noch relativ tourifrei. Merkwürdig wird es erst, als eine Gruppe bewaffneter Soldaten aufmarschiert und von überall "Allah uh akbar" erklingt. Woher es kommt, ob deswegen oder einfach aus ihrem Gebet heraus, man erkennt es nicht, das macht es nicht besser, also lieber mal weiter. Durch die Gassen geht es wieder raus aus, vorbei an den zahlreichen Polizisten/Soldaten/Motorradpolizisten auf die Jaffa Road. Kaffee musste her. Der wird glücklicherweise überall bezahlbar angeboten. Im "alles für 5 Schekel Laden" "cofix" gab es zusätzlich zum Kaffee noch ´nen Snack, trotzdem geht kaum noch was, sind ja auch keine 20 mehr. Also bei lauschigen Temperaturen über der 20 Grad Marke in einem Park gelungert bis ein Jugendlicher telefonierend zum zweiten mal an uns vorbeiläuft, dann doch lieber Rückzug ins Hostel. Während wir also auf das Zimmer warten, checke ich zur Sicherheit nochmal das für Donnerstag angesetzte Spiel in Palästina. Ach, du scheisse, die spielen heute schon! Und morgen! Was? Ja, scheisse, geil, haben die kleinen Palstinenser am Montagabend mal schnell noch das 16tel Finale ihres Pokals angesetzt, Anpfiff in zweieinhalb Stunden, auf geht´s. Dem Hosteltypen schon gar nicht mehr zugehört, igendwas mit gemeinsam Feiern, interessiert keinen, mach Gas. Eine schnelle Dusche ist noch drin, dann wird gehandelt. Al-Ram auf palästinensischem Gebiet ist das Ziel. Google zeigt an, dass ein Bus irgendwohin fahren soll, also geht es erstmal zum arabischen Busbahnhof nödlich der Altstadt. Hier nix Bus, nächste Station auch nix Bus, Taxifahrer machen gute Preis aber dritte Station haben Bus fahren gut. Aber wann fährt der wohl los? Fährt der überhaupt los? Und wohin überhaupt? Die Zeit tickt, also lassen wir uns vom erstbesten Taximann anlungern. Wohin wollt ihr? Ihr wisst, dass das hinter der Mauer liegt? Da stehe ich zurück zwei Stunden an, das kostet 150 Schekel. Ähhh, Mauer was bitte? Da hatte ich wohl mal wieder meine Hausaufgaben nicht gemacht. Von Checkpoints hatte ich ja wohl mal was gehört, aber eine Mauer? Naja egal, fahr mal los, klappt schon. Die Fahrt zieht sich auf Grund des Verkehrs etwas und auf einmal taucht dann wirklich die Mauer auf. Die ist mal ordentlich hoch, so viel ist klar, da werden die müden Augen nochmal ganz groß. Und weil uns der Taxifahrer so schön vorbetet, wie hart uns die Palästinenser kontrollieren werden, wenn sie es denn tun, lassen wir uns hier lieber nicht raus, sondern sagen er soll uns erstmal zum Stadion fahren. Die Kontrolle wird letztlich passiert, cool sah das alles nicht aus. Den Weg weiter kennt er auch nicht, also lässt er noch ein freundliches Großväterchen einsteigen. Immer entlang der Mauer geht es zum Ground, auf den Straßen ist fast keine Sau, alles etwas beunruhigend. Aber dann: Ankuft, Spieler wärmen sich auf, geil! Wir also freudestrahlend raus und dem Fahrer direkt mal mitgeteilt, dass er uns auch einfach abholen kann, wer weiß wie wir hier raus finden. An einem Pförtchen gucken uns drei Jugendlich dumm an und wissen nicht ganz, was sie mit uns machen sollen. Der Taxifahrer labert auf sie ein, wir dürfen erstmal rein, sollen dann nochmal warten, damit uns dann für 7 Schekel ein Ticket in die Hand gedrückt wird. Dass wir damit die einzigen sind, die hier heute Eintritt zahlen, dürfte so sicher sein wie, dass sich Palästina erneut nicht für die WM qualifizieren wird. Nun gut, 20 Minuten vor Anpfiff stehen wir also drin, nochmal auf das Handy geschaut, wer spielt eigentlich?

Palestinian forces - taraji wadi al-nes 0-1, palestine cup, round of 32, Faisal al Husseini international Stadium

Ah die, na logisch. Spätere Recherchen ergeben, dass erstgenannte ein Team aus Rammalah sind, die sonst in der zweiten Liga spielen. Wadi al-nes hingegen darf sonst in der höchsten Spielklasse ran und kommt aus Bethlehem. Na dann mal los. Ein teilweise grauenvolles, teils aber unterhaltsames Spiel entwickelt sich. Kurz nach der Halbzeit fliegt auch der Ball nach einer Ecke irgendwie ins Tor, vielen Dank. Das Stadion selbst steht direkt neben dem Verbandsgebäude und dient bei den wenigen Länderspielen, die in Palästina ausgetragen werden, als Spielort. Die vier pastellfarben bestuhlten Tribünen werden sonst vor allem von Hochhäusern umgeben, es hängen viele Arafat Bilder, hat insgesamt schon was. Ein Dach hat nur die Haupttribühne, das ist dann immerhin schon eine mehr als die meisten Stadien in den USA, dort regnet es aber auch weniger. 12.000 Zuschauer hätten reingepasst, gekommen waren wohl so 15-20, die sich im Prinzip abwechselten. Highlight der Flötenspieler, der seine Mannen von Taraji wie ein Schlangebeschwörer nach vorne flötete. Sachen gibt es...Länderpunkt also erfolgreich gemacht, jetzt noch irgendwie zurückkommen. Taxifahrer Abdullah (oder so ähnlich) hatte mit uns gewartet und führt uns erstmal durch die Umkleidekabinen (was ein Vollspacko) zum Taxi zurück, um uns dann in einem Monolog mit drei Themen zu nerven: 1. am Checkpoint unbedingt unauffällig verhalten und wenn wir doch befragt werden, ist er ein Freund, dem wir natürlich nichts zahlen. Bis zur Kontrolle wird er so nervös, dass zu berfürchten ist, er fährt den Israeli neinfach platt und wir werden daraufhin erschossen. Kurz vorher beruhigt er sich und wir fahren einfach durch, auch ein kleines Druchatmen bei uns. Zeit für Phase zwei: anpreisen diverser Taxi-Dienstleistungen mit Preisen, Vorrechnen, look look und noch viel mehr. Wenn ich eins in den nächsten Tagen nicht mache, dann seine Nummer wählen. Weil das nicht zieht, beginnt Phase drei: Videos auf seinem Handy gucken. Die hatte im Prinzip schon auf der Hinfahrt angefangen, als wir ihn beim Karaoke singen zugucken dürfen. Jetzt geht es um seinen minderjährigen Sohn, der im Knast sitzt, weil er Steine auf israelische Streitkräfte geworfen hat. Dummer Jungenstreich eben...es gibt so Fahrten. Irgendwann ist es geschafft und wir um schlanke 90 Euro ärmer, ich traue mich kaum es zu schreiben. Da haben wir uns aber mal sowas von geil abziehen lassen, dass sich eigentlich nur noch darüber lachen lässt. Zum Dank fällt mir auch noch die Zimmerkarte aus der Tasche ins Taxi, die aber freundlicherweise kostenfrei ersetzt wird. So lange man am Ende lachen kann, ist alles gut und das können wir. Geld geht raus, Geld kommt rein, das kleine Abenteuer nimmt uns aber keiner mehr, so banal es auch klingt. 
Da es seit vormittags nur noch Sonnenblumenkerne in unsere Mägen schafften, ist es jetzt auch Zeit zu speisen. Unser neuer Stammfalafeldealer gegenüber vom Hostel, bietet die Tasche mit Pommes, Salatbuffet und Getränk für 13 Schekel an. Das kostet selbst vor meiner Haustür mehr. Nahost, ich mag dich. Der Länderpunkt wird noch mit Bier im Hostel und bei cofix besoffen, dann fallen die Augen endgültig zu. Was für 24 Stunden.

Mittwoch, 17.02.2016:

11 Stunden Powerschlaf und nicht einen der anderen reinkommen hören, so lässt sich ein Hostel aushalten. Zum Frühstück gibt es reichlich Hummus mit Gemüse und Toast, das macht pappsatt und schmeckt. Heute soll es nach Bethlehem gehen also führt uns der Weg erneut zum arabischen Busbahnhof. Es klappt heute alles flüssiger und der richtige Bus findet sich sofort. Durch dichten Verkehr geht es in Richtung Süden. Auch um Bethlehem steht eine Mauer, auf die der Künstler Banksy seine Spuren hinterlassen hat. Eine Kontrolle bei Einfahrt ist hier jedoch scheinbar nicht vorhanden, obwohl auch Bethlehem zur Zone A gehört. Diese Zonen werden komplett von palästinensischer Seite kontrolliert. Der Zugang für Israelis ist untersagt, auf Schildern wird vor Todesgefahr gewarnt. Eigentlich haben aber auch die Palästinenser aus den von Israel besetzten Gebieten zum Teil israelische Pässe, so ganz durchsichtig ist es nicht, aber nun sind wir drin. Und werden direkt von einer Taxifahrermeute belagert. Noch genervt vom Vortag wird maximal die kalte Schulter gezeigt. Das kommt bedingt gut an und weitere Taxifahrer schließen sich dem Gemecker an. Wisst ihr wer das ist? Der ist der Boss hier! Was soll das? Ist ja gut, wir hören ja schon zu. Banksy Wall Church, alles sehr weit, kann man nicht laufen. Klar, natürlich, machen wir trotzdem. Immerhin lassen sie sich dann doch abspeisen und wir dürfen auf eigene Faust weiter. Ein nerviges Völkchen. Der Weg zur Geburtskirche führt durch alte Gassen, auf denen ein ständiges Gewusel herrscht. Überall werden wir angesprochen, jedoch nicht bedrängt. Nervig wird es dann erst wieder auf dem Vorplatz, denn hier lungert erneut ein Haufen Taxifahrer, die uns alle für den billigsten Preis rumkutschieren wollen. Erstmal wollen wir aber rein, also ab dafür. Der Eintritt erfolgt über ein schulterhohe Tür. Das innere ist nicht sonderlich spektakulär. Eben eine Kirche mit Säulen. Unter dem Altar befindet sich eine Grotte. Hier soll das kleine Jesuskind geboren sein und in seiner Krippe gelungert haben, was die Horden an osteuropäischen Touristen zum Massenkniefall bewegt, uns auf Grund der Enge aber eher erschlägt. Ein eigentlich beeindruckender Ort wird so ja gefühlt auch nicht heiliger, also lieber wieder raus. Kleine Story noch: die Kirche wird nicht von einer Christengruppe verwaltet, sondern von mehreren. Also streiten sich Orthodoxe, Katholiken und andere gerne auch mal darüber wer denn nun welche Stufe sauber machen darf. Und das durchaus handfest, mehr als bescheuert. Von außen sieht die Kirche eher wie eine Festung aus, um die wir nun erstmal rumschleichen. Noch die Kirche besucht, die dort erbaut wurde, wo Maria gestillt haben soll (und sich daher gerne mal Hebammen was von dem Sand reinschmeißen, weil irgendwo Milch auf den Boden getropft sein soll). Nunja, dann nehme ich doch lieber die Cola. Da auch heute noch der Ball rollen soll, wird der Sammeltaxiplatz in der Nähe des Basars besucht und im erstbesten Sherut Platz genommen. Die Teile fahren los, sobald sie voll sind oder Lust haben. Das geht heute recht flink und schon befinden wir uns auf dem Weg 30 km südlich nach Hebron. Hier entbrennt der israelisch-palästinensische Konflikt in letzter Zeit mit am häufigsten. Offiziell ist es palästinensisches Gebiet. Weil die Gegend als Grabstätte Abrahams und anderer Bibelgrößen, sowie als Salbungssplatz Davids angesehen wird, ist er für Juden und Muslime heilig. Die jüngste Geschichte liest sich daher wie eine Horrorstory, in der im Jahrzehnte-Rhythmus Massaker von der einen oder anderen Seite verübt werden. Heute versuchen orthodoxe jüdische Siedler immer wieder die Stadt für sich zu gewinnen und leben unter anderem im Stadtzentrum aus UN-Sicht "illegal". Man wünscht sich hier über die kleine Mauer, die die Stadt eigentlich in israelischen und palästinensischen Part teilt, nicht weniger als den gegenseitigen Tod, Steine schmeißen inklusive, also halten wir uns von dieser lieber entfernt und verzichten auf kulturelle Ausflüge. Sicher scheint für uns aber alles, man begegnet uns freundlich, fragt nach unserer Herkunft und lächelt uns zu. Ob es an der starken Präsenz von UN-Fahrzeugen liegt? Ich weiß es nicht. Die Schawarma Platte schmeckt einigermaßen, ist mit 5 Euro bezahlbar und bringt uns nochmal etwas Zeit bis zum Anpfiff. Im Hussein Bin Ali Stadium trainieren bei unserer Ankunft Kinder, die allerdings gerade abhauen. Wird hier heute noch gespielt? Yes, yes kickoff 4 pm, have a seat, you are welcome. Na bitte, so gefällt uns das. Zum Fotoknipsen dürfen wir auch auf dem Kunstrasen rumlaufen, um uns dann auf der Tribüne die Zeit bis zum Anpfiff  von

Silwan  -  Ramadin 1-0, palestine cup, round of 32, Hussein Bin Ali Stadium


...zu vertreiben. Die als Gastmannschaft notierten sind ein Viertliga Team aus Hebron und kommen trotzdem erst kurz vor Anpfiff am Stadion an. Da sind die Schiris strikt und gestehen ihnen keine 10 Minuten Aufwärmzeit zu. Das Premier League Team Silwan aus Jerusalem müsste also ein Torfestival folgen lassen, von dem wir leider nichts zu sehen bekommen, es bleibt beim 1-0 kurz nach der Halbzeit. Da das lokale Team sogar zu ein paar wenigen Chancen kam, jubelten die 30-40 anwesenden hin und wieder recht aufgeregt auf den drei Betontribünen, ansonsten war auch hier tote Hose, nicht mal Geld wollte jemand an uns verdienen. Trotzdem eine ganz schmucke Bude. Die Drei bereits erwähnten Tribünen sind komplett überdacht, an den zwei offenen Seiten ist nur ein Zaun, daran wieder diverse Bilder von Palästinensergrößen wie Arafat. Von außen könnte der Bau dank zahlreicher Säulen auch ein wichtiges Verwaltungsgebäude sein, gefällt insgesamt schon gut. Für uns heißt es nun also den Rückweg zu bestreiten. Ein Taxifahrer bietet uns eine Fahrt nach Jerusalem für 60 Schekel an. Kein schlechter Deal, wir wollen es aber erstmal so versuchen. Mit dem letzten Sherut für 10 Schekel pro Person also erstmal zurück nach Bethlehem. Dort empfangen uns wieder die Taxiheinis. Letzter Bus soll weg sein, ich fahre euch für viel zu viel, kein Problem, meine Freunde. Nicht das schon wieder. Das mit dem letzten Bus um 19 Uhr hatten wir aber schon anderswo aufgeschnappt und glauben es daher mal. Für 15 Schekel fährt uns ein Taxifahrer zum Checkpoint. Abgesehen davon, dass eine halbwegs verlassene Grenze immer gespenstisch wirkt, entpuppt sich der Gang als weniger schlimm. Es gibt Taschenkontrollen und das Visum wird kontrolliert, ansonsten winken die Israelis uns locker durch. Auf der anderen Seite fährt uns nun ein Bus für 7 Schekel nach Jerusalem. Werk vollbracht, hätte schlechter laufen können oder so wie gestern. Darauf erstmal eine Falafel-Tasche und ein paar Bier. 
Neuer Tag, neuer Spaß. Das tote Meer stand auf dem Programm. Wir hatten uns dafür die nächstbeste Ecke rausgeguckt, anstatt bis hinter die Westbank nach Ein Gedi zu gurken. Auch wenn das auf den Fotos dort schon ganz nett aussah. Für 20 Schekel ging es diesmal von der zentralen Busstation los. Raus aus Jersualem und schon wenigen Kilometern taucht eine unwirkliche Mondlandschaft aus. Durch eine Berge verschiedener Brauntöne führt der Weg immer tiefer unter 0. Mit abnehmender Reisehöhe steigt auch endlich wieder die völlige Reiseidiotie. Während Moritz noch gegen den Tod durch Erfrieren kämpft, weil er die Klimaanlage hinter uns vermutet, anstatt einfach die Lüftung über sich abzustellen, träume ich so vor mich her und schwupps haben wir auch schon den richtigen Ausstieg verpasst und sehen den Strand nur noch von weitem. Der Bus biegt ab, also planen wir mal den Ausstieg, auch wenn uns dafür alle anderen Businsassen etwas schief angucken. Plötzlich stehen wir mitten in einem Kibbutz, eine Art Kommune, die sich hauptsächlich von Landwirtschaft ernährt und scheinbar genug Kohle für den normalen modernen Standard hat, zu mindest diese hier. Ein Mensch kommt uns entgehen. Wo bitte geht es zum Strand? "Zum Strand? Da fahre ich hin, springt rein." Das Glück ist mit den Dummen. Zu welchem der beiden wir denn wollen, fragt er als einzige Frage auf der knapp 10 minütigen Fahrt. Keine Ahnung, lass uns einfach irgendwo raus. Das tut er auch an einer Art Ressort und für 50 Schekel Eintritt dürfen wir tatsächlich zum toten Meer. Unter bewölktem Himmel stellen wir fest, dass das hier definitiv kein Badeparadies ist, aber was muss das muss. Da wir auf die Kraft der Sonne vertraut hatten, haben wir natürlich auch keine Handtücher dabei. Das Salzwasser, auf dem man so friedlich daher treibt, liegt wie ein ekelhafter Ölfilm auf der Haut, immerhin eine Dusche gibt es, nach der wir ordentlich frieren. Die Sonne kommt passend dann raus, als wir schon keinen Bock mehr haben. Noch kurz zu Ende getrocknet und wir begeben uns auf den Fußmarsch zur 2 Kilometer entfernten Busstation. Kurze Panik kommt auf, als der erste grüne Israeli-Bus einfach vorbeidüst. Aber der zweite hält dann doch und fährt uns zurück nach Jerusalem. Solltet ihr mal zum toten Meer und keinen großen Abstecher unternehmen wollen, kann ich das Routing wärmstens empfehlen. Ging flott, kostete verhältnismäßig wenig und war tatsächlich recht spaßig. Nicht zu empfehlen ist seine mit Salzwasser getränkte Badehose anzulassen, um damit umher zulaufen. Meine aufgerissenen Oberschenkel waren recht entzürnt. Der Nachmittag war noch jung und die Altstadt zum Teil noch unerkundet. Wenn wir am Vormittag schon den Beginn des neuen Testaments besucht hatten, mussten wir jetzt auch noch das Ende sehen. In der Altsadt steht schließlich die Grabeskirche. Die überzeugte zu mindest mich vollends. Ein riesiges Teil mit versteckten Winkeln, Hallen, im grauen Dunkel der untergehenden Sonne wirkte das ganze wirklich mystisch. Während im Vatikan der Prunk regiert, ist hier einfach die größere Demut zu vernehmen, selbst wenn Kirche, Gott und Jesus eher mit Spaß begegnet wird. Nicht ganz so mystisch war die lange Schlange vor der Ädikula, dem kleinen Kappelchen über dem vermuteten Grab. Man muss ja auch nicht alles gesehen haben. Dem Weg folgend, den Jesus vor seiner Kreuzigung gegangen sein soll, liefen wir rauf auf den Olivenberg. War schon geil anstrengend, ein Kreuz hätte ich dabei nicht auf dem Rücken haben wollen. Noch ein Blick auf die beleuchtete Altstadt und zurück durch die nun verlassene Altstadt nach Israel. Klasse übrigens auch das Fitnessstudio unweit der Grabeskirche. Ob sich hier schon Jesus für seine Touren fit gemacht hat? Steht bestimmt im Buch Matthäus irgendwo...
Zur Abwechslung gab es abends eine Falafel-Tasche und ein paar Bier, um uns schließlich dem Hostel-Party-Mob anzuhängen. Solche Ausflüge sind ja eh schon bescheuert. Wenn dann aber auch noch Kennenlern-Spiele gespielt werden müssen, danke nein. Immerhin waren ein paar lustige Gestalten dabei und die Hostel-Leitung führte uns zum Geheimtipp cofix und danach noch über den Nachtmarkt. Die Männerquote war definitiv zu hoch, also war der Abend schnell Geschichte. Generell ist Jerusalem sicher nicht Partymetropole wie Tel Aviv, aber gut was los ist trotzdem, wenngleich auch eher in Bars als in Discos. Hier ist dann auch unter der Woche immer irgendwer unterwegs. Die Israelis lassen sich von der etwas diffusen Grenzsituation kaum in ihrem Leben stören. Aufgefallen sind aber auch viele Leute in zivil, die einfach eine dicke Wumme mit sich tragen. Und dazu kommen dann noch die zahlreichen JungsoldatInnen, die hier mutterseelenruhig mit Freund oder Freundin im Arm und MG durch die Straßen spazieren. Für uns sicher gewöhnungsbedürftig, hier einfach normal.

Freitag, 19.02.2016:

Abreisetag aus Jerusalem. Vorher war hier aber noch ein Fußballspiel zu sehen. Und bis dahin Zeit zu verplempern. Also nochmal rein in die Altstadt und wieder raus zum Mount Zion. Auch wenn Historiker widersprechen, soll hier zum einen das Grab Davids sein. Rund um dieses waren auch schon diverse am beten. Sabbat stand vor der Tür. Obwohl hier vermutlich rund um die Uhr gebetet wird. Für uns Heiden/Christen war da der angebliche Raum des letzten Abendmahls schon interessanter, auch wenn es letztlich nur eine Halle ist.
Zeit war noch genug, also nochmal wieder rein in die Altstadt. (So richtig draußen waren wir wohl nicht, wo die Stadtmauern mal gelegen haben, lässt sich so leicht nicht konstruieren.) Irgendwo einen Zugang zu Dächern gefunden, also mal rauf und die Altstadt noch von leicht oben gesehen. Grabeskirche immer noch überfüllt, aber da wir jetzt wussten, dass der Stein, auf den alle ihre Souvenirs legten und beteten, der sein soll, auf dem Jesus gesalbt wurde oder auch nicht, lohnte der Besuch immerhin für Moritz, der jetzt doch noch den Anfass-Ground machen konnte. Genug Schabernack, ab zum Ground! Die süße Hostel-Angestelltin wusste Bescheid und wir konnten beruhigt im Bus vorfahren. Das am Arsch/Bahnhof gelegene Teddy Stadium sah von aus schon mal top aus, nur Zuschauer waren wie zu erwarten keine zu sehen. Es waren sogar so wenige, dass man sich fragen musste, ob hier heute überhaupt gespielt wird. Es wurde:

Hapoel Jerusalem - Hapoel Nazareth Illith 1-2, Teddy Stadium, Liga Leumit, 500 Zuschauer (15 Gäste)

34.000 hätten Platz gehabt. So viel werden es bei weitem nicht mal bei der Nummer 1 der Stadt Beitar Jerusalem. Dafür schien die Sonne auf so gut wie alle Plätze außer auf die einzig offene Tribüne, man kann nicht alles haben. Das üppige Rund hat zum Teil bunte Sitze, die ein Muster ergeben. Als weitere Besonderheit ist das Dach zum Teil mit Holz verkleidet, sieht man ja auch nicht so oft. Kurz vor Anpfiff kommen tatsächlich noch 10 Gästejugendliche im Stadion an. Die Jungs haben scheinbar Bock. Zaunfahne, Trommel, alles dabei, selbst eine 1312 Fahne wird noch gehisst, da guckt der Heimanhang doof und trommelt nur noch spärlich umher, die anwesenden Bullen interessiert es auch nicht. Auch wenn die Jungs in Deutschland maximal Dorfultra-Status hätten, das wirkt wirklich motiviert und sieht nur hin und wieder nach gekünstelter Vereinsliebe aus. Das Spiel hingegen ist grottig. 14. gegen 15. der zweiten israelischen Liga (16 Mannschaften insgesamt) lassen wirklich keine Zungenschnalzer zu. So bleibt genug Luft den Jungs bei ihrem Ultraexperiment zuzusehen. In der Halbzeit gibt es ein Brötchen und ´ne Cola für 20 Schekel, dann beginnt eine klasse Show. Kurz nach Anpfiff gehen die Gastgeber in Führung. Das weckt die Gäste auf, die sich jetzt mehr und mehr ins Spiel kämpfen. Die gelbe Karte bleibt selbst diesem nichtspfeiffendem Schiri fast durchgängig in der Hand. Im Strafraum von Jerusalem brennt es jetzt lichterloh. Nazareth läuft immer wieder an wie einst Sultan Saladin. In der 65. dann endlich der Ausgleich. Jersualem nun völlig unter Schock. Lange passiert nichts, dann Tor für die Gäste. Zählt nicht, puh. Zwei Minuten Nachspielzeit werden angezeigt, viel zu wenig für den Geschmack der Gäste, aber sie rennen weiter und in der 92. fällt dann tatsächlich der Siegtreffer. Das hält man als neutraler Zuschauer kaum aus, man muss aufspringen. Die Jungs rennen nach unten feiern ausgelassen mit ihrer Mannschaft als hätten sie eben die Relegation gewonnen, da fließen fast Freudentränen. Das haben sie nicht, denn in diese ziehen sowieso die letzten acht Teams der Liga ein, also auch diese beiden, egal wer am Ende Vorletzter oder Vorvorletzter wird. Und am Ende steigen dann die drei schlechtesten ab, das dürfte dann dennoch beide Clubs betreffen. Sei es drum, für uns geht es nun in Richtung Tel Aviv. Wäre heute nicht Sabbat hätten wir einfach gegenüber in die Bahnstation fallen können. Ist es aber, also marschieren wir auf menschenleeren Straßen los bis uns ein Taxifahrer die Gnade erweist und uns in die Innenstadt kutschiert. Auch hier völlig tote Hose, so krass hatte ich das dann doch nicht erwartet. Auch unser geliebter Falafel-Mann hat zu, also müssen wir hungrig los. Busse fahren natürlich auch nicht, dafür fahren die Sammeltaxis. Für faire 35 Schekel pro Mitfahrer geht es von der Innenstadt zum  Busbahnhof nach Tel Aviv. Von hier aus laufen wir noch 20 Minuten zu unserem Hostel ins Viertel Florentina. Das "Florentine Backpackers" ist eine Backpacker Bude wie sie im Namen und im Buche steht. Alles ist cool und easy und so. Wenn man hier ´ne Weile verbringen möchte und einfach nur rumhängen will, sicher eine gute Variante. Ist man auf der Durchreise, hat wenig Bock auf andere Hotelgäste und will man auch etwas Ruhe, ist man eher falsch. Also lieber erstmal was essen. Aber trotz Hipsterviertel Nummer 1 hat hier fast gar nichts auf. Auffällig dafür die vielen Tags an den Wänden. Sprayen ist hier offiziell erlaubt, was vor allem die antifaschistischen Hapoel Ultras für sich nutzen. Davon wird Mensch aber auch nicht satt, ein Chinamann ist die Notlösung, für 32 Schekel geht aber auch das überraschend klar. Während der Hostel Mob sich auf eine erneute Feierorgie einstellt, belassen wir es bei zwei Bieren, auch wenn die Frauenquote hier definitiv stimmte.




 Und so bricht nach einem erholsamen Schlaf auch schon der letzte Tag an. Weil im Hostel ja sowieso alle so cool miteinander sind, muss sich rund um den kleinen Frühstücksbuffettisch etwas gedrängt werden, aber da wir dafür auch nicht gezahlt haben, passt das schon. Hummus drüber und gut ist. Die Taschen dürfen wir freundlicherweise da lassen und wir können unbeschwert unserer Wege gehen. Das Bloomfield Stadion liegt nur einen Steinwurf entfernt, das ist besonders für später goldwert. Jetzt ist noch nullkommanull los, aber schön ranzig sieht es aus. Uns zieht es weiter in Richtung Jaffa. Hier steppt heute verhältnismäßig der Bär. Vor allem Touris sind unterwegs und genießen den alten Hafen der Stadt. Direkt dahinter beginnt der Strand. Auch der ist recht gut besucht. Surfer stürzen sich in die mittelhohen Wellen, an der Promenade finden sich Spaziergänger und Sportler jeglicher Art. Einmal abgelaufen und durch die Innenstadt zurück. Tel Aviv ist schon sehr modern. Viele junge Leute sind unterwegs, viele hippe Läden werden eröffnet. Der New York Vergleich ist schon überzogen, auch wenn hier ein paar nette Hochhäuser stehen,  aber man kann sicher eine gute Zeit verbringen, wenn man denn möchte. Nun aber zurück zum Sport. Am Stadion ist auch rund drei Stunden vorher nichts los, dafür aber die Kassenhäuschen geöffnet. Die billigste Karte kostet 50 Schekel, da schlagen wir vorsichtshalber mal zu, versuchen aber unser Glück noch via Whatsapp bei einem Freikartenmann. Und wir haben es. Eine Stunde vor Kickoff haben wir unsere Tickets in der Hand und verticken noch schnell die bezahlten. Nun rein, wir sind gespannt auf:

Maccabi Tel Aviv - Hapoel Haifa  2 - 1, Bloomfield Stadium, Ligat Al, 11.500 (100 Gäste)



Auf der Ehrentribüne besteht beste Sicht auf die schmale Heimkurve, in der sich schon reichlich Ultras rund um "Fanatics Tel Aviv" positionieren und warm singen. Die Kurve hat neulich mal für Aufsehen gesorgt, als sie ein nicht gerade kleines "refugees not welcome" Plakat zeigten. Damit ist dann auch klar, dass sich die Feindschaft zu Hapoel wohl nicht nur im Fußball ausdrücken wird. Dennoch sollten diese Plakate nicht eins zu eins aus deutscher Sicht übernommen werden. Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, hat Israel schlichtweg einen anderen Anspruch und Auftrag wie mit Flüchtlingen aus arabischen Ländern umzugehen ist. Die Atmosphäre im Stadion ist mehr als angenehm. Kein Vergleich zum völlig aufgeblähten Event deutscher Profifußball. Keine laute Musik, keine Gewinnspiele, wirklich angenehm. Die Butze ist heute gut besucht. Rein passen knapp über 15.000, davon war heute noch so wenig frei, dass die 11.000 wohl geknackt werden durften. Rechts von der überdachten Haupt also die Heimkurve, rundherum alles Sitzplätze und gegenüber die Gästekurve, in die sich heute auch tatsächlich Haifa Leute verschlagen haben, um ihre stark abstiegsbedrohten Jungs zu sehen. Die Zweitplatzierten Maccabis versprechen sich heute wohl nicht weniger als ein Schützenfest. Zum Einlaufen donnert das ganze Stadion einen bekannten Ultra-Chant. Bei der Lautstärke ist das aber scheißegal, dass das geklaut wurde, saustark. Trotz schlechtem Spiel kann die Kurve die Form halten, zieht das ganze Stadion immer mal wieder mit und hinterlässt einige Ohrwürmer. In der 72. Minute fällt dann endlich auch der Führungstreffer, auch wenn dafür ein Elfer nötig war. Das Ding ist damit eigentlich durch, Maccabi erhöht noch auf 2-0 und die Gäste wursteln den Ball in der Nachspielzeit noch ins Tor. Spannung kommt keine auf, das Erlebnis lebte sicher vom Support. Vor uns hindudelnd holen wir unsere Rucksäcke aus dem Hostel, latschen zum Bahnhof und ab geht es mit dem 13 Schekel Zug zum Flughafen. Bei der Ausreise soll man ja eigentlich etwas Zeit einplanen. Da die Turkish Airlines Schalter aber noch gar nicht auf sind, hat sich der frühe Aufbruch mal wieder nicht gelohnt. Den Security Check scheinbar sauber beantwortet, Freunde in Malaysia, Arabien oder der Türkei können keine genannt werden, also Abfahrt. Letzte Etappe Drogentest. Etwas unheimlich ist es ja schon, aber alles clean. Abenteuer beendet, bis zum nächsten mal, Israel.